Bertold Becker - Pfarrer der Evangelich-Reformierte Kirchengemeinde Bielefeld
Bertold Becker – Pfarrer der Evangelich-Reformierte Kirchengemeinde Bielefeld

Die Himmelfahrt Christi ist ein merkwürdiges Fest. Die alten Erzählungen graben sich nicht tief ins Herz hinein. Vielleicht können sie es auch nicht, denn viel erzählt wird eigentlich nicht. Christus, der Auferstandene, wird vor den Augen der Jünger (und Jüngerinnen) in den Himmel gehoben.
Wo, aber bitte schön, ist der Himmel?
Der Himmel ist ein Ort, der – im Bild gesprochen – alles umgibt. Er umhüllt die
Erde und schafft Raum, dass überhaupt etwas wächst und gedeiht – unter dem
Licht der Sonne und dem Regen der Wolken, die am Himmel entlangziehen.
Wenn jemand gestorben ist, dann sagen wir zuweilen den Kindern – (und auch
uns Erwachsenen): Der geliebte Mensch ist im Himmel, also aufgehoben in etwas, das wir sehen und zugleich nicht sehen. Der Himmel umschreibt hier
metaphorisch das Aufgehoben sein in Gott.
„Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir
ziehen.“
Der Wochenspruch für die kommende Woche fasst ins Auge, was mit der
Himmelfahrt möglicherweise verbunden ist: Wenn Christus in den Himmel
gefahren ist – aufgehoben in die ungebrochene Einheit mit Gott – sind wir mit ihm
ebenfalls in diese Einheit mit hineingenommen. – Wie im Himmel, so auf Erden.
Der Himmel beinhaltet neben der Nähe zugleich die Metaphorik der Distanz:
Wer im Himmel wohnt, ist woanders und nicht mehr hier. Das Andere aber ist
tatsächlich das „Ganz Andere“: Nicht greif- und fassbar. Der Himmel bleibt
Geheimnis, selbst wenn seine Nähe täglich spürbar ist.
Diese Distanz mutet uns die Himmelfahrt Christi zu.
„Wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht erschienen, was wir sein
werden. Wir wissen: Wenn es erscheinen wird, werden wir ihm gleich sein; dann
wir werden ihn sehen, wie er ist.“ heißt es im 1. Johannesbrief (1. Joh 3,2).
Wir sind schon – und wir sind´s noch nicht, weil wir erst werden, was wir sind.
Der jüdische Philosoph Ernst Bloch sagt: „Ich bin, aber ich habe mich nicht.
Darum werden wir erst“.
Himmelfahrt benennt diese Spannung von Nähe und Distanz.
Da Pfingsten noch auf sich warten lässt und erst in 10 Tagen gefeiert wird, lädt
Himmelfahrt dazu ein, Pause zu machen, abzuwarten und der Dinge zu harren, die
da kommen.
Warten – und getrost sein. Die Dinge sind noch im Werden.
Die alten Geschichten von Himmelfahrt laden die Jüngerinnen und Jünger zum
Pause-Machen ein: Esst und trinkt, teilt das Brot und den Wein, sammelt euch,
stärkt euch… Es kommt eine andere Zeit.
Dieser Hoffnung schließe ich mich an und Grüße herzlich!
Ihr
Bertold Becker

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